Last updated: 17.05.2003
Silvesterlauf '94 von Wremen nach Duhnen

Der Reihe nach trudeln sie ein, wie verabredet. Einige machen noch nicht den wachesten Eindruck. Unsere Sporttaschen verstauen wir in Hennings Caravan. Kurze Begrüßung, zaghaftes Geflachse, den Blick nach oben gerichtet, als ob noch etwas zu ändern wäre. Hält das Wetter in den nächsten drei Stunden? Im Moment ist es trocken, sogar ein paar blaue Flecken reißt der Wind in die schnell ziehenden Wolken. Die acht Windstärken aus Südwest? Kein Problem für uns Läufer. Aber Dauerregen hätte unser Vorhaben unweigerlich scheitern lassen. Es ist und bleibt eine Zitterpartie. Egal. Pünktlich um 9 Uhr traben wir los.

Schon lange möchte ich den letzten Tag des Jahres sportlich anders gestalten, irgendwas besonderes draus machen. Warum also nicht -statt die gewohnten Runden drehen- mal nach Cuxhaven zum Brandungsbad Duhnen laufen!? Streckenläufe sind den Wremer Läufern nicht neu. Wir haben in den vergangenen Jahren an zwei Wochenenden den Elbe-Weser Weitwanderweg (Bremerhaven - Wischhafen) "erlaufen", mehrfach das sehr schön gelegene Waldfreibad in Sahlenburg angesteuert und Januar 94 das Brandungsbad in Duhnen. Aber eben nieam 31.12., dem letzten Tag des Jahres! Mein Entschluß steht fest. Stur wie ein Maulesel starte ich daraufhin während unserer Sonntagsläufe erste Umfragen, wer denn Lust hätte mitzukommen. Schließlich arbeiten viele an diesem Tag und der Rücktransport will ebenfalls organisiert sein. Es sind übrigens fast immer die gleichen Frauen, die sich zu Dienstleistungen wie Rückholungen oder Versorgung mit Getränken bereit erklären - damit wir unsere Hobbies pflegen können!

Unser Weg führt zunächst am Deich entlang zum Dorumer Neufeld. Nervtötend, dieser Ausblick auf die gut vier Kilometer lange Gerade, die sich nach der Biegung in Solthörn plötzlich auftut. Der Blick geht voll ins Leere und unwillkürlich denke ich an die Reklame "Wir machen den Weg frei!". Zum Glück gibt's viel zu erzählen und noch mehr zu schauen - schneeweiße Windmühlen, ausgetrocknetes Schilf, das sich im Wind biegt.

Es bleibt trocken, welch ein Wunder! Zwei Stunden vorher hätte man keinen Hund vor die Türe schicken mögen - und jetzt sogar zaghafte Sonnenstrahlen und Schiebewind! So schön kann der Norden sein! Was doch ein fester Glaube bewirkt! Unwillkürlich denke ich an die ersten Anrufe früh am Morgen, Rückversicherungen - wollen wir wirklich, bei deeem Wetter?

Nach knapp eineinhalb Stunden erreichen wir den Hof Siats, den Hennings Bruder bewirtschaftet, und damit unsere Getränkestation. Für Jürgen ist diese jährliche Heimsuchung nichts Neues. Gelassen schenkt er uns Mineralwasser ein, nicht ohne die obligatorische Frage "Wie weit wollt ihr denn noch?" zu stellen. Leichtes Kopfschütteln, als er die Antwort hört. Den Hofhund ficht das alles nicht an, er freut sich über die Abwechslung, läßt die Katzen einen Augenblick in Ruhe und möchte am liebsten mitkommen.

Nach kurzer Rast dann Aufbruch. Längere Pausen nehmen die Muskeln meist übel. Wir haben nun die Neufelder von Cappel und Spieka hinter uns gelassen und biegen am Deichsende kurz vor Berensch links ab auf den Plattenweg, der zum Posterholungsheim Arensch führt. Linkerhand breitet sich schier endlos Deichvorland aus, das durch einen Sommerdeich notdürftig geschützt wird. Davor grabendurchzogene Salzwiesen, ein Paradies für Seevögel aller Art. Die Insel Neuwerk zeichnet sich deutlich aus den Wellen ab. Hier beginnt nun der landschaftlich schönste, läuferisch jedoch anspruchsvollste Streckenabschnitt. Leichte Ermüdung macht sich bemerkbar, der sandige Boden entlang des Wernerwaldes erfordert zudem volle Konzentration. Wir sind ziemlich einsilbig geworden, jeder hängt nun seinen Gedanken nach und so erreichen wir Sahlenburg. Im Hochsommer ist Sahlenburg stets rappelvoll, und auch heute, am Silvester, haben sich erstaunlich viele Spaziergänger in ihre Parkas gemummelt und bummeln über die Strandpromenade. Es regnet leicht und der Wind peitscht dunkelgraue Wolken an uns vorbei. Der schmale Sandweg durch die Dünen nördlich von Sahlenburg mündet abrupt in die Fußgängerautobahn nach Duhnen. Die Appartementhochhäuser sind schon zum Greifen nahe, nur das Brandungsbad versteckt sich noch zwischen ihnen - aber ich weiß genau, es ist da und hat für unsbis 14 Uhr geöffnet! Unsere Blicke tasten noch den Parkplatz ab nach den Autos, die uns wieder zurückbringen an den Ausgangsort und in denen trockene Sachen und heiße Getränke auf uns warten, da winken uns Gabi, Alke und Karin auch schon freundlich zu.

Ankommen, am Ziel sein. Wie schön! Am schönsten aber war der Weg selbst, drei Stunden mit Freunden - und mit sich selbst! Von den ersten Brandungswellen im Bad umspült sehen wir, wie draußen der Himmel seine Schleusen öffnet! Eine gute Portion Glück gehört nun mal dazu.

-pv


Streckenlänge ca. 35 Km
Witterung Böiger Starkwind aus Südwest, knapp über 0 Grad, Schauerwetter
Start 31.12.95 um 09:00 Uhr, Üterlüe Specken, Wremen
Ziel 31.12.95 um 12:14 Uhr, Duhner Brandungsbad, Cuxhaven
Teilnehmer Heike Vogler, Henning Siats, Hartmut Holst, Gerhard Reese, Gerd Anders und Peter Valentinitsch